Die Shoa [im Deutschen auch oft als Holocaust bezeichnet] ist ein mahnendes Beispiel dafür, wohin Hass, Rassismus und Antisemitismus führen können. Die Erinnerung an diese ist essenziell, um das Bewusstsein für die Gräuel des Nationalsozialismus wachzuhalten und eine Wiederholung solcher Verbrechen zu verhindern.
Sowohl in der Gegenwart als auch in der Vergangenheit fällt es schwer, sich an das Grauenvollste und Unmenschlichste im direkten oder indirekten Erleben zu erinnern. Doch gerade im gegenwärtigen direkten Erleben eines gesellschaftlichen Wandels, der geprägt ist vom Vertrauensverlust in die Demokratie, der Zunahme von Billigung und Rechtfertigung politischer Gewalt, dem Zuwachs menschenfeindlicher rechtsextremer Einstellungen sowie dem Anstieg von Schändungen und Beschädigungen der Gedenkorte und Mahnmale für Opfer des Nationalsozialismus, scheint die Auseinandersetzung mit der mahnenden Vergangenheit unerlässlich.
In diesem Zusammenhang stand der Monat November vor allem für den Jahrgang 10 des Carl-Zeiss-Gymnasiums unter der Prämisse gegen das Vergessen zu arbeiten. Mit Hilfe drei verschiedener Ansätze setzten sich die Schüler/innen auch über den Geschichtsunterricht hinaus mit dem Nationalsozialismus und unterschiedlichen Formen des Gedenkens, Erinnerns und Informierens auseinander.
I Projekt – Biografien gegen das Vergessen
Insbesondere Zeitzeugen können eine lebendige Brücke in die Vergangenheit sein. Sie können helfen, die Erinnerung an die Gräueltaten des Nationalsozialismus lebendig zu halten und damit gegen das Vergessen anzukämpfen.
In einer Zeit, in der immer weniger Zeitzeugen leben, sind ihre Berichte von unschätzbarem Wert. Ziel sollte es daher sein, Biografien gegen das Vergessen präsent zu halten, um weiterhin persönliche Verbindungen zur Vergangenheit zu schaffen, ethische und moralische Lehren zu schlussfolgern, sowie einen multiperspektivischen und authentischen Blick auf die Geschehnisse der Geschichte zu entwickeln.
In einem klassenübergreifendem Projekt geben die Schüler/innen des 10. Jahrganges einzelnen Zeitzeugen wieder eine Stimme. Sie werden zu Zweitzeugen und werfen das Schlaglicht auf einzelne Schicksale. Dabei kann keine Explikation der Erzählungen und Berichte im jeweiligen zeitlichen Kontext geleistet werden, aber es kann eine Anregung sein, zu stolpern, stehen zu bleiben und die Auseinandersetzung zu suchen.
II Projekt-AG „Klang der Stolpersteine“
Die politisch-künstlerische Aktion „Der Klang der Stolpersteine“ macht es sich jährlich am 09. November, dem Tag des Erinnerns und Gedenkens an die Reichspogromnacht des Jahres 1938, zur Aufgabe, an einzelne Schicksale der Opfer der Gräueltaten des Nationalsozialismus zu erinnern und gegen das Vergessen zu arbeiten. Ein Ziel, welches in Verbindung mit der Verantwortung steht, die wir heute gemeinsam tragen, für Demokratie, Menschenrechte und Toleranz einzutreten.
Auch die Projekt-AG „Klang der Stolpersteine“ möchte ein Teil dieser Verantwortung übernehmen und engagiert sich deshalb seit vier Jahren im Rahmen der Aktion „Klang der Stolpersteine“. In diesem Jahr hat die AG jedoch den bisherigen Ort des Gedenkens an der Kochstraße verlassen und widmet sich dem Erinnern an die Opfer des letzten Todesmarsches aus dem Konzentrationslager Buchenwald, welcher am 14. April 1945 quer durch Jena stattfand. 4000 Menschen wurden von SS-Männern und Polizeikräften durch die Straßen der Stadt getrieben. Über 250 Menschen fanden dabei den Tod.
Auf Initiative des Arbeitskreises Sprechende Vergangenheit e.V. markiert zusammen mit der vor zwei Jahren errichteten Stele bei der Camsdorfer Brücke die Gedenkstele an der Karl-Liebknecht-Straße in Wenigenjena eine Gedenkspur durch den östlichen Teil der Stadt. An diesem Ort, welcher dem Überlebenden und Zeitzeugen Robert Jehoshua Büchler gewidmet ist, gibt die AG den Menschen eine Stimme, welche die Shoa überlebt haben, aber nicht mehr sprechen können.
Danke an die aktuellen und ehemaligen Schüler/innen Nina Eckart, Katharina Ensslen, Sophie Kleppe, Giselle Kühne, Josepha Loritz, Helene Löser, Agatha Matveev, Jahan Minardi, Helene Schweder, Arthur Walter, Paul Weiland, Theo Werschnik und Till Zippel für das besondere Engagement.
III Besuch der Gedenkstätte Buchenwald
Robert Büchler, geboren am 1. Januar 1929, war einer der wenigen Überlebenden des Konzentrationslagers Buchenwald. Er ist einer der Zeitzeugen, an die sowohl im Projekt „Biografien gegen das Vergessen“ erinnert wurde als auch in der Gedenkveranstaltung „Klang der Stolpersteine“. Die Gedenkstele in der Karl-Liebknecht-Straße erinnert mit Hinweisen auf sein persönliches Schicksal stellvertretend an die Opfer, welche Teil des letzten Todesmarsches durch die Straßen Jenas waren.
„Mein Name ist Robert. Ich bin am 1. Januar 1929 als Sohn jüdischer Eltern 1929 in einer westslowakischen Kleinstadt geboren. 1944 wurde ich zusammen mit meiner Familie nach Auschwitz deportiert. Meine Mama und meine Schwester sah ich hier das letzte Mal. Während der Räumung von Auschwitz wurde ich auf einen Todesmarsch geschickt. Am 23. Januar 1945 erreichte ich Buchenwald und wurde hier im Kinderblock 66 untergebracht. Ich musste nicht arbeiten und auch nicht an den angsteinflößenden Appellen teilnehmen. Doch am 10. April wurde ich erneut auf einen Todesmarsch aus dem Lager getrieben. Nach einem Weg über Jena gelang mir drei Tage später bei Eisenberg die Flucht. Mein Name ist Robert Jehoschua Büchler und ich habe überlebt.“ [Auszug Präsentation „Klang der Stolpersteine“ HAN]
Mit dem Ziel den Schicksalen der Opfer des Nationalsozialismus über einen weiteren Zugang näher zu kommen, besuchte der Jahrgang 10 am 7.11.2024, kurz vor dem 9. November, dem Tag der Reichspogromnacht, die Gedenkstätte Buchenwald. Dort erhielten die Schüler/innen zahlreiche Einblicke in den Alltag der Häftlinge, die Strukturen des Lagers und dessen Geschichte weit über die Zeit des Nationalsozialismus hinaus. Ein Workshop mit besonderer Beleuchtung verschiedener Perspektiven der NS-Gräueltaten, ein Rundgang über das Gelände des ehemaligen Konzentrationlagers sowie der Besuch des Museums der Gedenkstätte erweiterten das Wissen und Verstehen der Schüler/innen auf verschiedenen Ebenen.
Nach dem Besuch der Gedenkstätte scheint es leichter, den Schicksalen der Opfer näher zu kommen und die Lehren der Überlebenden umso eindringlicher wahrzunehmen und weiterzugeben: „Die erste Lehre ist Toleranz; die zweite Lehre ist, keinen Krieg zu führen. Ohne Krieg hätte es keinen Holocaust gegeben. Frieden, Toleranz, gegenseitiges Verständnis und die Achtung der Menschenrechte – das sind die Lehren, die ich aus dem Lager ziehe.“ [Robert J. Büchler]